In dieser unregelmäßigen Reihe wird der deutsch-amerikanische Lyriker Paul-Henri Campbell Blicke über die Sprachgrenzen werfen und internationale Stimmen in deutscher Übersetzung präsentieren.
In dieser Folge präsentieren wir Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Cordite Poetry Review (Australien) Gedichte von Alex Skovron, Eileen Chong und Luke Fischer.
Drei Dichter aus Australien
übersetzt von Paul-Henri Campbell
Was die Toten tun
von Alex Skovron
»Tote sind beschäftigt.«
(Rilke, »Requiem für eine Freundin«)
Gewiss fahren sie nicht auf den Geisterbahnen
oder erklimmen Klippen Dante bedenkend;
sie haben ihren Geschmack verloren fürs Gotische
oder den einmaligen Glanz der Renaissance,
und bald schon entfallen dem Gedächtnis die Symphonien
oder die Ober- und Untertöne der Mottete,
während die hinbleichenden Wasserzeichen ihres Daseins
oder die übrigen Spuren, daran sie sich klammern,
immerzu schwinden wie irgendeine flüchtige Erinnerung
oder ein Stift, der löschen muss, sooft er schreibt;
Und sie spüren es, dieses seltsame Fortschmelzen,
oder es rinnt um sie dahin wie ein Äther –
Dass sie nicht mehr zurückzucken voreinander,
oder verstört hinabstarren unter die Brücken,
nicht mehr müssen sie ähneln, was ihnen nicht gleicht
oder über Gesetze befinden nach denen sie lebten;
ungestüm werden sie zusehends vor Schmerz und Freude
oder durch die bunten Stationen des Geists,
da sie von sich geschüttelt haben die Alpträume des Jahrmarkts
oder vernagelt erwachten aus ihrem Schlaf;
Und der Drang zu schaffen und die Neugier
oder der Reiz am unerträglichen zu kratzen,
da plötzlich gestillt, lässt völlig ab, ist fort
(oder verwandelt wie Quecksilber zu Sand),
sodass sie leer sein können und weitläufig,
oder die Stille umfassen, die sie einstimmt
in ihren neuen Stand, der Ewigkeit heißt,
oder die wahre unerträgliche Bedeutung der Zeit.
Totenhäuser
von Eileen Chong
Sago Lane, Singapore
Die Schreiner hobeln Teakplatten in den Werkstätten
mit den Händen, sägen Kerben aus, feilen die Mulden glatt
und hämmern die Teile mit dumpfen Schlägen zusammen.
Keine Nägel verwenden sie. Darüber wohnen die Mieter –
Betten hoch gestapelt über Betten säumen die Gänge:
Sie schlängeln sich durch sechs Werkhäuser hindurch.
Hier sind sie, die Erschöpften, ihr Husten und Stöhnen,
ein schäbiger Chor keuchend phrasiert durch Klumpen
von Schleim und Blut hineingesabbert in Spucknäpfe;
Dort, die Aussätzigen, offen rotkrustig, ihre Wunden
faulig in fleckigen Laken, die niemand waschen wird.
Es gibt auch weitere Wege zum Tod, andere als diesen.
In einer anderen Straße fertigen Kinder blasse Schatten
diesseitiger Güter, die Finger verschmiert zu Regenbögen
aus dürftigem Papier und Kleister. Ein Mädchen wickelt
zu einem Spiegel Silberfolie um einen Draht. Zwei Knaben
zerdrücken nasses Papier zu steifen Dienern. Nebenan
kannst du Kupfermünzen erstehen für unter die Zunge
oder eine Jadescheibe um die Lippen zu versiegeln. Zehn
Dollar besorgt dir ein Klageweib und sieben Stäbchen
Weihrauch. Jede Nacht, ehe du dich zum Schlafen legst,
klopfst du aufs Holz um dir den Tod zu rufen. Lebe lang,
zu lange, so verlierst du den Sarg für die Matte, die du webst
aus Strohhalmen, die durchs Zwielicht flattern wie Motten.
Du schreibst deinen Namen deutlich, Tinte schwarz auf weiß,
schreibst auf, die Namen deiner Ahnen, Rücken an Rücken.
Dies trägst du am Leib unter deiner Bekleidung, nah neben
deinem Herzen. Es wird das Letzte sein, das sie dir nehmen.
Der Kakaduschwarm
von Luke Fischer
Das Weiß ihres Gefieders
scheint ein wenig zu weiß wie
die polierten Zähne eines Verkäufers
oder der Glanz des Bogens,
darauf ich diese
Betrachtungen notiere –
und doch erinnern sie mich an Kinder
wie sie da still aufklauben
Gezweig und Laub
vom Weg und seinem Rand.
Ab und an offenbaren sie
die Flechten an den Unterschwingen
und öffnen ihre steinerne Schnäbel
wie rostige Tore
doch plötzlich sinkt
das Wächtertier nieder und hüpft entlang
eines gebrochenen Asts, stellt flammend
seinen ananasfarbenen Mohawk auf
während er seinen Kopf heftig schüttelt,
sich aufplustert und drängt
die anderen, jagt sie auseinander
zu den höheren Lagen,
wo sie sich versammeln
zu einer Punk-Rock Kakophonie.
Ich eile fort vom Gewimmel und
stopfe das bekritzelte Papier
in eine Hosentasche.
Über das Tal hin entdecke ich sie.
Sie zerstören wild
ihre Behausungen in den Angophoren.
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Schlagwörter: Alex Skovron, Eileen Chong, Luke Fischer, Paul-Henri Campbell